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Eigentlich ein ganz normales Leben -– Antjes Geschichte

Hallo alle zusammen!

Seit einigen Jahren verfolge ich nun mittlerweile die zahlreichen Patientengeschichten auf dieser Website, wobei ich ehrlich gesagt sagen muss, dass mir viele Geschichten, auch wenn sie Mut machende Worte enthielten, gerade zu Beginn meiner Erkrankung (Morbus Wegener) eher Angst gemacht haben und mir das Gefühl gaben, dass eine normale Lebensplanung mit Familie, ausgefülltem Berufsleben, Reisen etc. nur noch eingeschränkt möglich sei.

Aber nun gut, erstmal zu den Fakten:

Ich heiße Antje und bin 31 Jahre alt. Bei mir fingen die Beschwerden mit 23 Jahren an, als ich gerade mitten im Staatsexamensstress stand und glaubte von einer heftigen Grippe erwischt worden zu sein, die ich zunächst auf die leichte Schulter nahm. Nach einigen Wochen allerdings wunderte ich mich schon, dass meine Nase immer noch total verstopft war. Der erste HNO-Arzt stellte zwar fest, dass die Nase heftig verborkt war, allerdings führte er dieses eher auf die schiefe Nasenscheidenwand zurück und empfahl eine Operation. Obwohl ich mich schon wunderte, warum diese Probleme nicht schon früher aufgetreten waren, stimmte ich einer OP zu. Doch auch nach der Nasen-OP wurden die Beschwerden nicht besser. Ganz im Gegenteil, denn plötzlich sackte mein Nasenrücken ein. Geschockt rief ich beim HNO-Arzt an, denn ich führte diese Veränderung auf eine fehlerhafte OP zurück. Der HNO-Arzt wies mich nur barsch zurück und sagte mir, ich habe vorher auch schon einen Nasenhöcker gehabt. Nun ja, zwar sprach mich alle Welt darauf an, welchem Boxer ich begegnet sei, aber einem Arzt glaubt man ja… erstmal zumindest.

Die verborkte Nase begleitete mich nun einige Jahre und ich fand mich mehr oder weniger mit meiner merkwürdigen Nase ab, bis ich erneut im Prüfungsstress steckte. Ich bekam höllische, nicht enden wollende Kopfschmerzen, die auch mit den unterschiedlichsten Schmerzmitteln nicht zu bekämpfen waren. Ein MRT des Kopfes ergab dann schließlich, dass ich zahlreiche Granulome in der Keilbeinhöhle hatte. Der neue HNO-Arzt, zu dem man mich schickte, verordnete mir Antibiotika mit dem Hinweis, dass diese Granulome eine Entzündung seien. Erst die vierte Antibiotika-Sorte (Cotrim forte) brachte Linderung. Und selbst die Verborkungen in der Nase verbesserten sich. Aber sobald die Packung aufgebraucht war, fingen die Kopfschmerzen wieder an. Da mir der HNO-Arzt nach einiger Zeit kein Cotrim mehr verschreiben wollte, ging ich zu verschiedenen Ärzten und erschlich mir mit verschiedenen Geschichten immer wieder neues Cotrim, da es mir damit deutlich besser ging.

Nachdem ich 2005 schließlich mein Referendariat beendet hatte, freute ich mich darauf meine erste richtige Stelle anzutreten. Alles klappte, wir zogen um und alles schien perfekt. Ich verdrängte einige Zeit die Verborkungen und die wieder stärker werdenden Kopfschmerzen. Vor lauter Arbeit vergaß ich selbst mir einen neuen Hausarzt zu suchen. Nach einigen Monaten allerdings ging es mir immer schlechter. Die alten Symptome waren wieder voll zurück. Darüber hinaus hatte ich Schmerzen an verschiedenen Gelenken, ich pinkelte plötzlich nur noch Blut, ich hörte deutlich schlechter und hatte Sehstörungen. Außerdem wunderte ich mich, dass ich ständig taube Fußsohlen hatte und einen seltsamen Ausschlag an den Beinen obendrein. Ich schleppte mich mit meinen unterschiedlichen Beschwerden zu den jeweiligen Fachärzten, die aber eher ratlos waren. Schließlich ging ich in meiner Verzweifelung zu einer neuen HNO-Ärztin, die mir in die Nase schaute und mir sagte, das alles würde sie an eine andere Patientin erinnern und veranlasste eine Nasenbiopsie in der Uni-Klinik, wobei sie im Unklaren ließ, auf was man mich untersuchen würde. Die Biopsie ergab allerdings keinen Befund und man schickte mich wieder nach Hause. Dort angekommen packte mich richtige Panik, da ich mehr und mehr das Gefühl bekam, dass mich etwas Ernstes erwischt hatte. Ich beschloss mich selbst auf die Suche nach einer Diagnose zu machen und suchte über Google nach der Kombination meiner Symptome. Und siehe da, nach wenigen Minuten stieß ich auf diese Website www.vaskulitis.org und war mir sicher, an irgend so einer Vaskulitis, am ehesten Morbus Wegener, erkrankt zu sein. Ich machte einen Termin beim Rheumatologen und musste ihn erstmal davon überzeugen, diesen C-Anca Titer abzunehmen. Etwas widerwillig tat er das dann auch, aber auch ihm schien mein Gesundheitszustand ernsthafte Sorgen zu machen. Wieder zu Hause rief mich dann überraschend die Uni-Klinik an, man habe eine Blutprobe von mir erst verspätet untersucht und die habe einen deutlich positiven C-Anca-Titer ergeben. Naja, etwas umständlich die ganze Geschichte…auf jeden Fall kam dann die ganze Geschichte ins Rollen. Eine Nierenbiopsie ergab schließlich eine heftige Beteiligung der Nieren…dann kam das, was hier die meisten sowieso kennen…hochdosierte Endoxantherapie, viel Kortison, blutdrucksenkende Mittel etc. Schnell schlugen die Medikamente an und mir ging es zusehends besser. Nach drei Monaten Endoxan wurde auf Cellcept (zwei Jahre) und schließlich 100 mg Azathioprin umgestellt, das ich nun seit fast drei Jahren nehme.

Das erste Jahr jagte ein Arztbesuch den nächsten, da der C-Anca weiterhin deutlich erhöht war. Jedes Mal war ich sehr angespannt und lebte von einem Blutergebnis zum nächsten.

Mittlerweile, vier Jahre später, ist der Titer immer noch viel zu hoch (der letzte Befund in Bad Bramstedt vor einem Jahr war mit 1: 2560 immer noch rekordverdächtig), aber ich lasse mich dadurch nicht mehr verrückt machen, da es mir gut geht und ich, bis auf eine verborkte Nase, keine Symptome habe.

Die Krankheit ist in den Hintergrund gerückt und ich habe für mich beschlossen, die Zukunft so positiv wie möglich anzugehen und meine Lebensplanung nicht von einer Erkrankung bestimmen zu lassen, wobei mir klar ist, dass ich sicherlich im Vergleich zu anderen gut reden habe, da mich die Krankheit zum jetzigen Zeitpunkt in keiner Weise beeinträchtigt. Ich bin die letzten Jahre wieder Vollzeit arbeiten gegangen, habe geheiratet, ein Haus gebaut und freue mich nun auf die Geburt unserer ersten Tochter (bin im 7.Monat schwanger) und auf ein hoffentlich ganz normales Leben.

Selbst wenn der Wegener zurückkommen sollte, hat er seinen Schrecken für mich verloren, da ich nun weiß, wie gut man ihn auch wieder behandeln kann.

06.07.2009 


Nachtrag:

Hallo allerseits,
hier ein kleiner Nachtrag zu meiner Geschichte:

Am 19.10.2009 ist unsere Tochter mit 53cm und 3525g gesund zur Welt gekommen. Ein kleiner Mini-Schub direkt nach der Entbindung ist dank 7,5mg Kortison und 100mg Azathioprin wieder im Griff.

Liebe Grüße, Antje


Fortsetzung

Knapp zwei Jahre nach der Geburt meiner ersten Tochter hat unser Sohn Mattis im Juni dieses Jahres das Licht der Welt erblickt. Nach der Entbindung hatte ich keinen Schub mehr. Seit nunmehr fast drei  Jahren nehme ich keine Dauermedikation  mehr ein. Meine „Therapie“ besteht zum einen in konsequenter Infektvermeidung, da bei mir der Wegener eigentlich immer gemeinsam oder in Folge von Infekten aufgetreten ist. Falls doch mal ein Infekt (so einmal bis zweimal im Jahr) auftritt, bekämpfe ich ihn nach der Devise Hit hard and early. Ich nehme sofort drei bis vier Tage einen Stoß Cortison (20mg/  10mg/ 5mg) und eine Packung Cotrim forte. Klingt zwar heftig, aber ansonsten macht sich der Wegener leider sofort wieder bemerkbar, egal um was für einen Infekt es sich handelt. Darüber hinaus nehme ich hochdosiertes Vitamin D (Dekristol), da bei mir immer wieder Vitamin-D-Mangel festgestellt wurde. Der Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und Autoimmunerkrankungen scheint ja mittlerweile ganz gut belegt. Und alle paar Monate behandele ich meine Nase mit der antibiotischen und cortisonhaltigen Nasensalbe Polyspectran, wenn die Borken wieder schlimmer werden.

Mit diesem Vorgehen geht es mir nun schon so lange gut, dass ich gedacht habe, dass ich meine Erfahrungen teilen muss, auch wenn ich mittlerweile nur noch selten auf dieser Website bin. Sowohl mein Rheumatologe als auch mein Nephrologe, bei denen ich mich halbjährlich zur Kontrolle blicken lasse, sagen, es sei zwar nicht die schulmedizinische Standardtherapie, aber der Erfolg gäbe mir Recht. Nur die C-Anca-Werte sind immer noch recht hoch, aber die alleine sind ja offensichtlich nicht behandlungsbedürftig.

Ich weiß natürlich, dass es sich hier um meine individuelle Erfahrung handelt, die nicht ohne Weiteres auf einen anderen Menschen zu übertragen ist, aber für mich funktioniert es bislang und hoffentlich auch noch lange.

Falls jemand Fragen zu meiner Schwangerschaft und Entbindung bei Morbus Wegener hat, kann er bzw. mich kontaktieren unter jantje [dot] strodthoff [at] gmx [dot] de

Liebe Grüße,

Antje

aktualisiert am 16.12.2011


Neuigkeiten im Frühjahr 2017

Vor einigen Jahren habe ich meine Geschichte auf dieser Webseite veröffentlicht. Ich bekomme immernoch fast wöchentlich Mails von Frauen, die sich trotz der Erkrankung ein Kind wünschen. Da ich mich immer freue, wenn ich meine Erfahrungen bezüglich GPA und Schwangerschaft teilen kann, und sich bei mir auch wieder Neues ergeben hat, schicke ich eine Fortsetzung meiner Geschichte. Gerade das Thema "Mabthera/Rituximab und Schwangerschaft" könnte eventuell wieder Frauen interessieren:

Nach einigen Jahren in Remission bekam ich Anfang des Jahres 2016 erneut einen Schub. Da die Eiweißausscheidung rekordverdächtig war und ich meine Nieren nicht aufs Spiel setzen wollte, entschied ich mich in Absprache mit meinem Rheumatologen für eine Rituximab-Therapie. Diese schlug schnell an und normalisierte die Werte. Nur einen Monat nach den Infusionen wurde ich erneut schwanger. Natürlich hatte ich große Angst, dass die Medikamente dem Kind geschadet haben könnten, aber eine ausführliche Beratung einer Ärztin der Uniklinik Düsseldorf konnte meine Sorgen weitestgehend nehmen. Am 14.02. 2017 kam meine Tochter Marlene mit 53cm und 3680g gesund zur Welt und ist ein wahrer Sonnenschein.

Ich bin jeden Tag dankbar darüber, dass diese Krankheit, die mich seit nunmehr 16 Jahren begleitet (sicherlich auch dank der Schulmedizin), einen solchen Verlauf genommen hat und ich weiterhin ein ganz normales Leben führen darf.

Liebe Grüße

April 2017