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Erschienen ist der Artikel in der Ausgabe "Apothekenumschau"; 1.März 2006, S. 42 - 45
Bestimmte Formen von Rheuma befallen auch die Blutgefäße. Eine Beruhigung des Immunsystems kann für Abhilfe sorgen Das Glück strömt per Infusion in die Armvene von Wolfgang Kurz. Der 38-jährige frühere Rechtsanwalt aus München verbringt jeden Monat einige Tage in der Rheumastation des Städtischen Krankenhauses München-Bogenhausen und erhält Arzneien, die sein Leben retten. „Darunter hoch dosiertes Kortison“, lächelt er. „Und es bewirkt bei mir gerade ein großes Glücksgefühl.“
Entspannt liegt er auf dem Bett und erzählt, wie kostbar das Leben ist und wie zerbrechlich. Gelehrt hat ihn das seine Vaskulitis. Der Begriff heißt auf deutsch Gefäßentzündung und bezeichnet ein Bündel seltener rheumatischer Krankheiten, bei denen Blutgefäße unter den Beschuss des Immunsystems geraten und sich entzünden.
Die Gefäßwände können bis zum Verschluss anschwellen, so dass Teile des Körpers nicht mehr ausreichend versorgt werden und absterben. „Bei der häufigsten Form, der Arteriitis temporalis, ist die Schläfenarterie seitlich der Stirn verdickt“, erklärt Professor Wolfgang Gross, Direktor der Poliklinik für Rheumatologie der Uni Lübeck sowie der Bad Bramstedter Rheumaklinik. „Wenn ich darauf tippe, geht der Patient vor Schmerzen förmlich in die Luft.“ 20 bis 50 Neuerkrankungen kommen im Jahr auf 100 000 Deutsche. Mögliche Folgen sind Erblindung und Schlaganfall.
Kurz leidet an einer anderen Form, der Wegener Granulomatose, bei der die zarten Wände der Kapillaren anschwellen und durchlässig für Wasser, Eiweiße und Immunzellen werden. Ist die Lunge betroffen, husten die Patienten Blut und bekommen nicht mehr genug Sauerstoff. Blut im Urin ist ein Warnsignal für eine Beteiligung der Niere, die den Körper nicht ausreichend entgiftet. Wenn Gewebe in der Haut oder Schleim-haut abstirbt, äußert sich das in Wunden und Geschwüren. „Diese Vaskulitiden müssen regelmäßig untersucht werden“, betont Gross. „Sie könnten auf Organe überspringen.“
Kurz’ Krankheit begann vor 20 Jahren mit einer ständig verstopften Nase. 1987 kamen offene Stellen im Mund dazu, Schwäche, Bauch- und Gelenkschmerzen, er musste in die Klinik. „Solche Schmerzen kannte ich nicht, und sie hörten drei Wochen nicht auf“, sagt Kurz. Ohne eine Diagnose wollten ihn die Ärzte nicht mit aggressiven Medikamenten belasten. „Ich dachte: Wie könnt ihr mich so leiden lassen?“
Oberarzt Dr. Michael Mogk, ehemals Rheumatologe im Bogenhausener Klinikum und nun am Juliusspital in Würzburg, vergleicht die Vaskulitis-Diagnose mit einem Puzzle: „Sehr spannend, aber enorm langwierig.“ Ärzte begutachten die Symptome und suchen im Blut nach Antikörpern und Entzündungszeichen. Mit Ultraschall oder Tomografie bestimmen sie Durchblutung und mögliche Organschäden. Sie mikroskopieren Gewebeproben, um in den Gefäßwänden Immunzellen zu finden. Als Kurz’ Diagnose endlich feststand, bekam er Rheumamittel, die das Immunsystem ruhig stellen. „Über Nacht ging es mir besser“, erinnert er sich. Wenn die Substanzen allein nicht helfen, geben manche Ärzte zudem Stoffe, die die Wirkungen des Entzündungsbotenstoffs TNF- hemmen. Die Ärzte in Bogenhausen wenden auch die Immunadsorption an, die ähnlich funktioniert wie die Blutwäsche. Dem Blut werden dabei aber nicht Schadstoffe entzogen, sondern entzündliche Antikörper.
Zwei Monate blieb Kurz in der Klinik, dann ging es ihm weitgehend gut, er studierte und arbeitete als Anwalt. 2002 schlug die Vaskulitis wieder zu:
Hirnhautentzündung, der Nasenrücken eingedrückt, Hör-, Seh-, Konzentrationsstörungen, Berufsunfähigkeit. Wenn er spazieren geht oder ein paar Seiten liest, muss er sich anschließend ausruhen. Halt findet er durch seine Familie und den Einsatz in der Vaskulitis-Selbsthilfegruppe, die er mit anderen Patienten gegründet hat. „Ich habe ihn dazu ermutigt, weil ich seinen Lebensmut bewundere“, sagt Mogk. „Er kann Rat geben und Ängste nehmen.“
Heute treffen sich 20 Personen. Ein Ehepaar ist neu, die Frau hebt zaghaft den Finger: „Unsere Tochter nimmt das Kortison nicht.“ Kurz lässt sich die Telefonnummer geben. Er möchte dem Mädchen die Angst vor dem Medikament nehmen. Sein Ziel ist auch, die Symptome der Vaskulitis bekannt zu machen. Aus demselben Grund bildet Dr. Mogk Ärzte fort. „Viele hatten noch nie mit einer Vaskulitis zu tun und denken bei den Symptomen nicht daran, die Patienten zu einem Rheumatologen zu schicken.“ Und Gross ergänzt: „Diagnostik und Therapie haben sich deutlich verbessert. Wir können heute den meisten Patienten helfen.“
Link zur oben erwähnten Selbsthilfegruppe von Herrn Kurz: http://www.vaskulitis-shg.de