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Biancas Geschichte

Guten Tag,

Mein Name ist Bianca, ich bin 21 Jahre alt.

Viele Berichte über die Vaskulitis habe ich hier schon gelesen, nun folgt einer von mir, der vielleicht doch ganz außergewöhnlich sein könnte.

Denn im Gegensatz zu vielen Patienten, die hier über ihre Krankheit berichten, habe ich das Schlimmste bereits hinter mir.

Aber der Einfachheit halber fange ich ganz von Vorne an:

Es begann, als ich etwa 6 Jahre alt war. Dass ich nur sehr schlecht sehen konnte, merkten meine Eltern nur durch reinen Zufall. Sie schleppten mich zum Augenarzt, der selbst entsetzt war, weil meine Sehkraft seit dem letzten Kontrolltermin vor einigen Wochen rapide abgenommen hatte. Und das auf beiden Augen.

Rechts konnte ich noch etwas sehen, Links war ich zu dem Zeitpunkt beinahe blind.

Wir bekamen eine Notfall-Überweisung an die Uniklinik in Erlangen, und am nächsten Tag standen wir vor der Tür. Es folgten etliche Untersuchungen, die den ganzen Tag lang dauerten. Für die Diagnose mussten meine Eltern mich vor der Türe lassen.

Danach durfte ich nicht mehr heim, sondern musste gleich im Krankenhaus bleiben.

Am Tag darauf folgte eine 8-stündige Not-Operation, in der die Ärzte das ganze „böse“ Gewebe aus meinem linken Auge entfernten. Obwohl dabei auch viel gesundes Gewebe beschädigt wurden, verdanke ich es wahrscheinlich diesen Ärzten, dass ich heute auf dem linken Auge überhaupt noch etwas sehen kann. Nach der Operation wurde ich dann mit Medikamenten behandelt. Da ich für die normale Therapie noch zu klein war, bekam ich Ersatz-Mittel für Kinder und enorm viel Cortison. Das half mir nur wenig.

Meine Eltern hatten das Gefühl, als würde die Therapie nie richtig anschlagen.

Die nächsten 5 Jahre meiner Kindheit verbrachte ich mehr im Krankenhaus als zu Hause.

Entweder ich war wegen eines akkuten Entzündungsschubs in der Uniklinik in Erlangen, oder ich war wegen der Medikamenten-Einstellung oder Nebenwirkungen in der Kinderklinik in Erlangen. Ich verbrachte 6 Wochen im Krankenhaus, durfte eine Woche lang nach Hause, und musste dann wieder 4 Wochen ins Krankenhaus.

Meine Eltern besuchten mich jeden Tag nach der Arbeit und blieben oftmals bis weit nach Ende der offiziellen Besuchszeit, weil ich sie nicht gehen lassen wollte.

Irgendwann haben mir die Ärzte erlaubt, auch am Wochenende nach Hause zu fahren, weil sowohl ich als auch meine Familie so sehr unter der Situation litt.

So zog sich das jahrelang. Die Schübe kamen immer wieder, meine Familie kämpfte um mich und meine Sehkraft. Ich verlor durch die vielen Krankenhausaufenthalte den Anschluss an meine Freunde in der Schule. Dass ich trotzdem den Stoff nachholen konnte, grenzt eigentlich an ein Wunder und liegt wohl daran, dass ich im Krankenhaus so viel Zeit hatte, die verpassten Sachen nachzuarbeiten. Ich erinnere mich, dass meine Lehrerin einmal in vollem Ernst sagte: „Ach, Bianca, schön, du bist auch mal wieder da!“

So eine Situation ist für einen Erwachsenen schon schwer zu ertragen, aber eine kleine Kinderseele zerbricht daran. Ich war immer ein wirklich ausgeglichenes, freundliches Kind, aber während dieser 5 Jahre wurde ich bockig, jähzornig, teilweise auch richtig agressiv.

Meine Eltern hatten ihre liebe Mühe, mich dazu zu bringen, die ganzen Medikamente zu schlucken, die ich damals nehmen musste.

In ihrer Verzweiflung haben sie irgendwann einen Heilpraktiker zu Rat gezogen. Sie mussten für die Kosten, die uns dadurch entstanden, sogar einen Kredit aufnehmen, und vielleicht war es nur ein Placebo-Effekt oder einfach die Tatsache, dass uns endlich mal jemand wirklich zuhörte, aber nach einem guten Jahr Behandlung durch den Heilpraktiker wurden meine Beschwerden besser.

Die Schübe waren nicht mehr ganz so heftig, sie konnten endlich von zu Hause aus behandelt werden. Ich musste nicht mehr ständig ins Krankenhaus.

Als ich älter wurde, stiegen wir dann auf MTX um, und mit 16 musste ich noch eine Operation am rechten Auge über mich ergehen lassen.

Die Zeit zwischen den Schüben wurde länger, die Anzahl der Tabletten, die ich am Tag schlucken musste, schrumpfte Jahr für Jahr.

An Weihnachten 2008 stellten wir die Medikamentation nach langsamen Ausschleichen komplett ein. Seitdem lebe ich ohne Medikamente und ohne Schübe.

Bis heute weiß ich nicht, was diese Vaskulitis bei mir ausgelöst hat, und auch nicht, ob sie jemals wieder kommen könnte.

15 Jahre lang haben ich und meine Familie um meine Sehkraft gekämpft, und am Ende zumindest einen Teilsieg errungen. Zwar habe ich im Zuge der vielfältigen Nebenwirkungen der jahrelangen Medikamentation viel verloren und auch eine Menge meiner Sehkraft eingebüßt. Richtig sehen werde ich nie mehr können.

Meine maximale Sehleistung beträgt 0,2 auf dem linken und 0,6 auf dem rechten Auge.

Aber das hat sich über die Jahre so langsam entwickelt, dass ich es nicht einmal als Einschränkung wahrnehme. Bis auf regelmäßige Kontrolltermine in der Uniklinik und Bluttests beim Hausarzt merke ich von meiner Krankheit heute eigentlich nichts mehr.

Von außen sieht man sie mir auch gar nicht an, nur einige seelische Wunden sind mir geblieben. Krankenhäuser rufen in mir schlimme Kindheitserinnerungen wach, ich halte es dort nicht lange aus, bekomme Angstzustände und Atemnot.

Durch die Behandlung mit Cortison über einen so langen Zeitraum hinweg ist meine Haut schon stark gealtert. Wunden heilen bei mir viel langsamer als bei einem gesunden Menschen in meinem Alter.

Ich habe im Laufe der letzten 15 Jahre viele Rückschläge einstecken müssen und war oft nahe daran, einfach alles hinzuschmeißen und aufzugeben.

Aber ich lebe. Und ich kann sehen.

Der Kampf gegen die Krankheit lohnt sich, und wenn er auch 15 Jahre dauert.

Wenn ich meine Geschichte erzähle, werde ich oft gefragt, ob ich mir wünsche, dass das alles nie passiert wäre. Und meine Antwort ist immer die gleiche: Nein.

Die Krankheit hat lange gedauert, war kräftezehrend, und hat mich oft an den Rand des Zusammenbruchs getrieben. Auch meine Familie wäre daran mehr als einmal beinahe zerbrochen. Aber die Vaskulitis hat mich auch wachsen und an innerer Größe gewinnen lassen. Ich wäre heute nicht die, die ich bin, ohne diese Krankheit.

Und wenn ich es mir so überlege, dann komme ich immer zu dem Schluss, dass der Kampf sich gelohnt hat.

Deshalb kann ich allen Betroffenen nur raten:

Bleibt stark.

Haltet durch.

Der Kampf lohnt sich.

Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels.

Und wenn man es auch erst nach 15 Jahren sieht.

Wer nach dem Lesen dieses Artikels mit mir Kontakt aufnehmen will, kann dies gerne tun via eMail:

Pilongo [at] gmx [dot] de

Ich wünsche allen Betroffenen viel Kraft für Ihren Weg,

Bianca

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aktualisiert am 05.04.2009