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Wie lebt es sich mit Rheuma oder - spezieller- mit einer Vaskulitis?

von Gerda Bohlken

Zunächst eine kurze chronologische Übersicht über den Verlauf der Krankheit:

Die zweite Jahreshälfte 1985 war für mich irgendwie schwierig, ich fühlte mich schlapp, hatte vermehrt Kreuzschmerzen - das war nichts Neues - aber auch immer häufiger Schmerzen in den Handgelenken, die ich als berufsbedingt abtat (viel Arbeit an der elektrischen Rechenmaschine, etwas weniger an der Schreibmaschine), aber alles kein Grund, zum Arzt zu gehen.

Das geschah erst im Februar 1986 wegen einer schweren Bronchitis, Schmerzen in fast allen Gelenken (Schulter und Ellenbogen, Hand- und Fingergelenken, Knie und Fussgelenken), aber kein Fieber. Behandelt wurde mit 36 x 1,2 Mega Isocillin und einem weiteren Antibiotikum, an dessen Namen ich mich nicht erinnere. Es folgten Behandlungen mit Diclophenac und 25 mg Decortin H. Und immer noch keine klare Aussage zur Diagnose!

In den nächsten 4 Monaten folgten weitgehende internistische Untersuchungen, etliche davon auch in der Ambulanz der 2. Med. Klinik des Univ.-Krankenhauses Hamburg-Eppendorf. Dann die Diagnose, immer noch mit einem kleinen Vorbehalt:
Seronegative chronische Polyarthritis.
Die Behandlung wurde ergänzt durch eine Goldtherapie mit Ridaura.

Im November 1986 schickte man mich zur Kur nach Oberammergau. Auf Grund meines angegriffenen Gesundheitszustandes gönnte man mir dort sehr viel Freizeit. Die Zahl der unterstützenden therapeutischen Behandlungen war stark eingeschränkt. Allerdings setzte man mich auf Diät, 800 Kalorien täglich.

- Die Effektivität der Goldtherpie schien nicht sicher! -

Zurück in Rellingen, wurde die Therapie von meinem Hausarzt auf D-Penicillamin umgestellt, aber auch das musste abgesetzt werden, es führte zu einer Schädigung der Geschmacksnerven.

Im April/Mai 1987 folgte ein weiterer Krankenhausaufenthalt. Basismedikament war von nun an Azufidine RA. Zusätzlich machte ich im Juli l987 erste Bekanntschaft mit der Rheumaklinik Bad Bramstedt, und zwar mit der Radiologie zwecks Radiosynoviorthese der Knie-, Schulter- und Fingergelenke.Die Basistherapie blieb bestehen.

Inzwischen berentet , kam ich eigenltich ganz gut zurecht. Zu meiner Fitness konnte ich beitragen durch Wasser- und Trockengymnastik in Gruppen der Rheumaliga. Auch im Hinblick auf Information und Unterhalung rückten die Gruppen der Rheumaliga in den Vordergrund, denn jeder der Teilnehmer musste sich mit Einschränkungen abfinden. Ich fand Verständnis für meine sehr viel schwieriger gewordene Situation.

Von Mitte März bis Anfang Mai l992 folgte ein Kuraufenthalt in Bad Kreuznach. Es waren 6 Wochen, die mir mit bis zu 22 Terminen pro Woche im Therapieplan viel abverlangten. Dennoch musste ich nach meiner Rückkehr zugeben, dass mir die Kur gut getan hatte. Diclophenac wurde durch Ibuprofen ersetzt.

Dann im Juli 1993 doch irgendwie das dicke Ende: Einweisung in das Krankenhaus Pinneberg wegen einer raschen Verschlechterung der Nierenfunktion und einer rasch zunehmnden Anämie. Nach 5 Tagen Anstieg des Kreatinin-Wertes auf 3,7 - es folgte eine Cortison-Stoßtherapie mit 3 x l.ooo mg und eine offene Nieren-PE. Ergebnis: Eine ausgeprägte Glomerulonephritis.

Schon in der ersten Woche im Krankenhaus erhielt ich die Information, dass die Diagnose "rheumatoide Arthritis" das aktuelle Krankheitsgeschehen nicht mehr korrekt wiedergab, sondern dass es sich um eine Vaskulitis handele, später genauer bezeichnet als "mikroskopische Polyangiitis". Die Therapie wurde durch tägliche Endoxan-Gaben ergänzt, aber gleich zweimal während des Aufenthaltes im Pinneberger Krankenhaus sanken die Leukozyten so weit ab, dass eine Isolierung notwendig wurde.

Am 26.10.93 wurde ich nach einer Rücksprache zwischen den Ärzten nach Bad Bramstedt verlegt. Wieder der Versuch einer Therapie mit Endoxan in Tablettenform, und wieder Schwierigkeiten wegen zu niedriger Leukozyten-Zahlen. Die Umstellung auf eine Bolustherapie wurde erwogen, vorher aber eine mögliche Allergie auf Uromitexan durch einen Test im Univ.-Krankenhaus Hamburg-Eppendorf ausgeschlossen. Nach dem ersten Bolus reichte es endlich zur Entlassung zwei Tage vor Weihnachten. In den ersten Monaten des Jahres folgten weitere 5 Boli, ergänzt durch unterschiedlich hohe Dosen Decortin H.
Im Juni l994 Umstellung auf Imurek, das Anfang September wegen gastrointestinaler Unvertäglichkeit wieder abgesetzt wurde, es folgten weitere 5 Endoxan-Boli. Danach die Umstellung auf Sandimmun optoral, eine ruhige Phase begann.

Ende Mai 1998 wieder ein Rezidiv, wieder eine Endoxan-Therapie - insges. 9 Boli, nach Feststellung eines toxischen Knochenmarkschadens in geringerer Dosis. Im November 98 erneuter Therapieversuch mit Imurek, aber wieder eine deutliche Unverträglichkeit. Danach erstmals eine Therapie mit Lantarel in Kombination mit Sandimmun optoral und Decortin H, später nur noch Lantarel und Cortison. Wegen des schon seit längerer Zeit erniedrigten Hb-Wertes kam nun noch Neo-Recormon hinzu, besser vielleicht bekannt unter der Bezeichnung EPO.

Bei der Auflistung der Medikamente habe ich bewusst nur die Veränderungen in der Basismedikation angesprochen, Cortison gehört bis heute dazu.

Jetzt - eigentlich seit der Umstellung auf Lantarel, auf ein Medikament, das Nierenpatienten lange Jahre nicht gegeben werden sollte, fühle ich mich relativ wohl, ich habe kaum Schmerzen, und ich versuche, die Cortisondosis weiter zu reduzieren. Bis auf l,5 mg habe ich es bereits geschafft. Allerdings brauche ich auch heute noch weitere 7 Medikamente gegen die verschiedenen Begleiterscheinungen der Vaskulitis (zu hoher Blutdruck, Magenprobleme, Eisenmangel).

Die Intervalle zwischen den Aufenthalten in Bad Bramstedt haben sich deutlich verlängert. Insgesamt bleibt allerdings eine reduzierte Belastbarkeit, die ich sehr gern auf mein fortgeschrittenes Alter zurückführe.

Warum ich in meinen Ausführungen die Basismedikamente so ausdrücklich erwähnt habe? Ich möchte allen Vaskulitis-Patienten Mut machen! Der Weg zur richtigen Therapie ist unter Umständen recht lang, kurzfristig klappt es nicht immer, aber langfristig findet sich das Medikament, das fast allen Patienten trotz der Krankheit ein relativ gutes Leben ermöglicht - und denken Sie bitte daran, dass es heute schon neue Therapiemöglichkeiten gibt, die ich noch nicht kennengelernt habe und auch noch nicht testen möchte, auf die ich letzten Endes aber setze!

Die Fortschritte, die in der Behandlung der Vaskulitis gemacht werden und zu denen die Ärzte der Klinik Bad Bramstedt einen ganz wesentlichen Teil beitragen, sollten uns allen Mut machen.

Noch ein paar Hinweise möchte ich gern loswerden:
Lesen Sie die Gebrauchsanweisungen, die den Medikamenten beigefügt sind!
Reden Sie mit Ihrem Hausarzt, "löchern" Sie ihn evtl., nutzen Sie seinen Erfahrungsschatz, aber setzen Sie nicht voraus, dass er schon alles weiss.
Bauen Sie ein Vertrauensverhältnis auf, darauf kommt es an. Und bitten Sie ihren Arzt unter Umständen, in Bad Bramstedt Rückfrage zu halten, oder ergreifen sie selbst die Initiative, wenn sich eine Unsicherheit einschleicht.
Und im privaten Umfeld: Lassen sie sich nicht mit guten Ratschlägen überschütten. Sie selbst müssen den Weg, der Ihnen Freude am Leben lässt, der Kurzweil oder auch Erfolg verspricht, finden. Das können Hobbys der verschiedensten Art sein.
Lenken sie sich ab, versuchen sie trotz allem den Tag auf ihre Art zu leben, tun sie einfach das, was sie immer schon einmal machen wollten. Bewahren sie sich ein wenig Optimismus. Damit kommen Sie, trotz Vaskulitis, sicher am besten durch den Tag.

Gerda Bohlken

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