Mein Umgang mit der Erkrankung hatte sich also doch recht stark geändert und war gereift. Anfangs wollte ich meine Erkrankung nicht wahr haben und verdrängte sie, sicherlich auch aus verständlichen Existenz-Ur-Ängsten, denen ich mich nicht stellen wollte. Später ließ ich mich dann wenigstens während meiner Krankenhausaufenthalte auf die Erkrankung ein, wollte aber im sonstigen Leben doch möglichst wenig davon wissen und die Erkrankung nicht zum ständigen Begleiter meines Lebens werden lassen. Und schließlich gelang es mir dann, die Krankheit doch als zu meinem Leben gehörend anzunehmen und ich war durch die aktive Beteiligung in der Selbsthilfegruppe manchmal täglich mit ihr konfrontiert. Es war aber keineswegs so, dass die Vaskulitis mein Leben deshalb völlig bestimmte. Sie war nur der ständige Mitläufer eines ansonsten ganz normalen aktiven Berufs- und Freizeit-Lebens.

Wäre mein Bericht hier zu Ende, könnte er vielleicht als repräsentatives Beispiel für den heutigen in der Regel gut zu beherrschenden Verlauf einer Vaskulitis-Erkrankung dienen, wenn es bei dieser äußerst vielfältigen Erkrankung überhaupt so etwas wie einen typischen Verlauf gibt (was wohl nicht der Fall ist).

Jedoch, das Schicksal hatte anderes mit mir vor:

Vor einiger Zeit trat trotz und unter intensiver Behandlung eine drastische Verschlimmerung meiner Beschwerden im Kopf-Bereich ein: Ich bekam plötzlich bis dahin nie gekannte starke Kopfschmerzen, mein Nasenskelett brach nun komplett ein, ich hatte Sehstörungen verschiedenster Art (das reichte von Doppelbildern, starker Abnahme der Sehfähigkeit und Farbenblindheit bis hin zu starker Lichtempfindlichkeit). Weiter wurde ich beidseitig hochgradig schwerhörig und bekam, ebenfalls beidseitig, ständige Pfeifgeräusche in den Ohren (Tinnitus). Schließlich kam zu der Zerstörung der knöchernen Strukturen der Augenhöhlen auch noch die teilweise Zerstörung des Schädelbasisknochens, gefolgt von einer Gehirnhautentzündung, was mit Erbrechen, vollkommener Schwäche und einer fortdauernden Benommenheit verbunden war. Mein Beschwerdebild hatte ein ganz anderes, meine Lebensführung nahezu vollständig beeinträchtigendes Niveau erreicht.

Es folgten lange Krankenhausaufenthalte. Da durch die Beteiligung des Gehirns konkrete Lebensgefahr drohte, ordnete ich mit der verbliebenen Kraft meine letzten Dinge und versuchte die Möglichkeit meines Lebensendes zu verarbeiten.

Verständlicherweise war dies mit sehr intensiven Gefühlen und Gedanken verbunden. Überraschenderweise durfte ich aber neben den negativen Stimmungen, die es phasenweise durchaus auch gab, in diesem Zeitraum auch viele bereichernde Erfahrungen machen.

Erneut gelang es, mittels Maximaltherapie (Stichworte unter anderem: Hochdosis-Cortison, Endoxan, verschiedene Biologicals, Immunglobuline, Hochdosis-Azathioprin) das Schlimmste, also den Tod, zu verhindern, auch wenn die Krankheitsaktivität nicht mehr vollständig zum Erliegen gebracht werden konnte.

Obwohl eine Vielzahl von Beschwerden leider dauerhaft geblieben ist und diese vielfältige Einschränkungen im Lebensalltag mit sich bringen, lebe ich immerhin noch und habe durchaus Phasen, in denen ich noch vergleichsweise aktiv sein kann.

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